Machtmissbrauch oder verantwortungsloses Handelns in den Führungspositionen von Organisationen und Unternehmen ist derzeit eines der prägenden Themen in unserer Medienlandschaft. Die Skandalwelle scheint kein Ende zu nehmen, von der Bayern-LB über den Libor-Skandal bis hin zu den Verwicklungen innerhalb des bislang liebsten Clubs der Deutschen, dem ADAC. Doch wenn die Welle der öffentlichen Entrüstung abgeflaut ist, was passiert eigentlich dann mit den verantwortlichen Managern? Müssen sie ins Jobcenter oder gar ihren Lebensunterhalt aus früheren Boni-Zahlungen bestreiten?
Nein, das dürfte nur selten notwendig sein. Ein Beispiel aus der bewegten jüngeren Geschichte der Bayerischen Landesbank: Dort sitzen wegen dem Hypo-Alpe-Adria-Debakel gerade sieben Ex-Vorstände wegen Untreue auf der Anklagebank, darunter auch Michael Kemmer. Nachdem Herr Kemmer nach Bekanntwerden des ganzen Ausmaßes des Skandals 2009 bei der Landesbank gehen musste, wurde er im Anschluss Hauptgeschäftsführer des deutschen Bankenverbandes. Dies änderte sich auch nicht, als die Staatsanwaltschaft 2011 unter anderem gegen Kemmer Anklage erhob. Und Kemmer ist auch nach Prozessbeginn Ende Januar 2013 weiter als Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes aktiv. Er sitzt also an einem Tag auf der Anklagebank in München wegen Untreue, am nächsten Tag verteidigt er die Interessen der Banken in Berlin. Natürlich hat auch Herr Kemmer das Recht, bis zu einer Verurteilung als unschuldig behandelt zu werden. Dennoch erscheint die Frage berechtigt, warum einfache Arbeitnehmer und Beamte schon bei bloßen Ermittlungen wegen relativ geringer Vergehen vorläufig freigestellt oder suspendiert werden, bei Managern einer bestimmten Größenordnung dies offensichtlich nicht mehr angezeigt ist.
Aber auch wenn Herr Kemmer verurteilt werden sollte, könnte er als Spitzenmanager Glück haben. So erging es zumindest einem anderen Vorstandskollegen bei der Bayerischen Landesbank: Herr Gribkowsky wurde vom LG München I mit Urteil vom 27. Juni 2012 (5 KLs 406 Js 100098/11) wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit Untreue sowie wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Man sollte annehmen, dass seriöse Unternehmen Herrn Gribkowsky zukünftig meiden wollen würden. Dennoch erhielt bereits einige Monate nach dem Urteil ein Angebot des österreichischen Baukonzerns Strabag. Dort schien man zu wissen, dass es sich bei Herr Gribkowsky eigentlich um eine honorige Person handelt, denn er saß ja schließlich bis 2011 im Strabag-Aufsichtsrat. Im Oktober 2013 wurden ihm dann großzügig anmutende Hafterleichterungen gewährt: Er wurde in ein Freigängerhaus verlegt und darf die Haftanstalt verlassen, um seiner neuen Tätigkeit innerhalb des Strabag-Konzerns in München nachzugehen. Dort soll er die „Strukturierung der Firmenabläufe einer deutschen Strabag-Tochter“ begleiten. Wir hätten wohl eine bessere Welt, wenn beim Durchschnittseinbrecher auch schon kurz nach der Rechtskraft des Urteils mit so intensiven Resozialisierungsbemühungen begonnen werden würde.